EIP-Agri-Projekt 2020-2023

KLIMA-BLOG

 

 

 

 

 

Damit unsere Unternehmungen in diesem Projekt in den richtigen Kontext gesetzt werden können, liefern wir hier einige Hintergrundinformationen zum Thema Klima aus ökologischer Sicht mit den entsprechenden Quellenangaben.

Climate is what you expect, weather is what you get.      Prof. A. J. Herbertson, Brit. Geograf

Klimawandel - Was, wenn wir nichts tun?

Waldbrände, Eisschmelze, Unwetter: Der Mensch spürt die Erderwärmung. Wie sieht die Zukunft aus? Der Klimaforscher Stefan Rahmstorf erklärt unsere Welt mit 4 Grad mehr.

Beitrag aus: https://www.zeit.de/wissen/2020-12/uno-erderwaermung-klimawandel-treibhausgas-emission-corona

Klimawandel und Landwirtschaft - Landwirtschaft und Klimawandel

„Angesichts einer beispiellosen Krise hat die Gesellschaft keine andere Wahl, als drastische Maßnahmen zu ergreifen, um einen Untergang der Zivilisation zu verhindern. Entweder ändern wir unsere Lebensweise und schaffen eine vollkommen neue Weltgesellschaft, oder unsere Lebensweise wird für uns geändert.“

Environment and Development Challenges: The Imperative to Act[1]

                                                                                                              Autorin: Annika Held

Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust, das wusste schon Goethe. Daran muss ich wieder denken, als ich den beinahe unwiderstehlichen Drang verspüre, meinen Fernseher aus dem Fenster zu schmeißen. Wobei das arme Gerät keine Schuld daran trägt, zumindest nicht primär, gibt es nur pflichtbewusst und unschuldig in Wort und Bild die Äußerungen eines gewissen bayrischen Politikers zum Thema Kaufprämien für die Autoindustrie wieder. In jenem Moment, in der in mir der Funken Hoffnung stirbt, dass die Politik endlich die unbedingte Notwendigkeit eines schnellen Handels in der Klimakrise begriffen habe, stehe ich vor einer Entscheidung: Gebe ich meinem aufbrausenden Temperament nach (mit allen Konsequenzen) oder übe mich in der vornehm zurückhaltenden und wohlüberlegten Analyse, die drei Jahre naturwissenschaftliches Studium jedem Studierenden einimpfen (sollten). Offenkundig entscheide ich mich für meine wissenschaftliche Seite (noch mehr Elektromüll zu produzieren, ist nicht im Sinne des Planeten), wobei Sie, verehrter Leser, mir ein willkommener Ersatzadressat für meine Erörterungen zu der entsprechenden Thematik der Klimakrise sind. Wie bitte? Nachhaltige Landwirtschaft ist das Thema dieses Blogs? Wunderbar, da erwischen wir doch zwei Fliegen mit einer Klappe! Denn schließlich sind Landwirtschaft und Klima aufs engste miteinander verbunden, und zwar auf Gedeih und Verderb. Aber alles der Reihe nach!

Wie das Beispiel aus der Politik mal wieder deutlich vor Augen führt, ist anscheinend immer noch nicht durchgedrungen, was da auf uns alle zukommt. Was bedeutet es für uns und vor allem für die Landwirtschaft, wenn das Klima sich ändert? Es soll ja sogar verträumte Zeitgenossen geben, die gar meinen, ein wärmeres Klima sei positiv für den Landbau in unseren Breiten und wir müssten uns gar nicht solche Sorgen machen. Schauen wir uns die Sache also mal genauer an: Ursprung des ganzen Schlamassels ist ein Phänomen, das bereits im 19. Jahrhundert durch Physiker beschrieben wurde und heute unter dem Namen Treibhauseffekt jedem Schulkind geläufig sein dürfte. Die Wirkungsweise ist dabei sehr simpel. Gase in unserer Atmosphäre sorgen dafür, dass ein Teil der Wärmestrahlung der Erdoberfläche zurückgehalten und nicht in den Weltraum abgestrahlt wird. Ohne diese Atmosphäre würde auf der Erde eine Durchschnittstemperatur von etwa -18 °C herrschen, Wasser nur in gefrorener Form vorliegen und das Leben hätte sich vermutlich nie entwickelt. An sich ist der natürliche Treibhauseffekt also ganz prima… bis der Mensch auf die glorreiche Idee kam, Kohlenstoff, der seit Millionen Jahren dem natürlichen Kreislauf entzogen war, wieder in Form von Kohlenstoffdioxid und Methan in die Luft zu pusten. Von da an begannen die Probleme.

Es wird wärmer… wie viel wärmer?

An sich ist es erstmal eine Idee mit Charme: Es wird wärmer, wir müssen nicht mehr in die Ferne fliegen, um Strandtemperaturen zu haben, die Vegetationsperiode verlängert sich, die Ernten steigern sich, so what? Wie es eine unbedarfte Zeitgenossin mir gegenüber zum Ausdruck gebracht hat: „Eigentlich ist es unfair, wir haben durch den Klimawandel doch nur Vorteile, nicht?“ Ehem, ja, das kommt davon, wenn man von Klimaerwärmung spricht und nicht von Klimakrise, was es eigentlich ist. Denn die Erwärmung sorgt nicht nur für im Jahresdurchschnitt und global betrachtet höhere Temperaturen, sondern eben auch für eine zunehmende Entkopplung verschiedenster biophysikalischer Parameter. Besonders gefährlich wird es, wenn verschiedene Elemente des globalen Klimasystems umschlagen, man spricht hier von Kippelementen, etwa dem Zusammenbruch des westantarktischen Eisschildes oder dem Absterben der tropischen Regenwälder. Ersteres gilt bereits jetzt als nicht mehr abwendbar. Jede Überschreitung dieser Klimaschwellen erhöht das Risiko eines katastrophalen, sich selbstverstärkenden Kaskadeneffekts, der den Planeten ins klimatische Chaos stürzt. Der Zusammenbruch der globalen Ökosysteme würde diesen Prozess noch weiter verstärken und eine Welt schaffen, die in keinster Weise dem Gesicht der heutigen Erde gleicht. Geordnete Landwirtschaft in einer solch chaotischen und unberechenbaren Umwelt, verbunden mit dem Wegfall zentraler Ökosystemdienstleistungen wäre ein Ding der Unmöglichkeit, ebenso würde die gesamte menschliche Zivilisation einen solchen Prozess nicht überleben.[2] Und es kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieses als „Heißzeit“ bezeichnete Szenario bereits ab der 2-Grad-Grenze eintritt. Sollten wir weiterhin untätig bleiben und die Emissionen nicht rasch im erforderlichen Rahmen senken, werden wir vermutlich eine globale Erwärmung von 4-6 °C bis zum Ende dieses Jahrhunderts erfahren.[3], [4] Wir halten buchstäblich das Leben aller kommender Generationen (wie viele das dann auch sein werden) in Händen.

Wer mehr über die verheerenden Folgen eines ungebremsten Klimawandels wissen will, sei an dieser Stelle auf die dazu bereits existierende Literatur verwiesen. Sehr eindrücklich und kurzweilig schildert David Wallace-Wells diese Gefahren in seinem Buch „Die unbewohnbare Erde – Leben nach der Erderwärmung“. Wer sich für einen umfassenden Einblick in alle Aspekte des Klimawandels interessiert, sei Naomi Kleins eindringliches Werk „Die Entscheidung: Kapitalismus vs. Klima“ empfohlen.

Klimapositive Landwirtschaft – Eine Utopie?

So, Stimmung auf dem Tiefpunkt und wir haben immer noch nicht richtig über die Landwirtschaft gesprochen. Mea culpa. Im Angesicht der oben beschriebenen Umstände halte ich es allerdings einfach für dringend geboten, klipp und klar darzulegen, dass wir auf dem Vulkan tanzen. Und das es sich bei der Klimakrise schlicht um die größte Gefahr (und Herausforderung) handelt, der die Menschheit je ins Auge geblickt hat. Und die Landwirtschaft nimmt dabei eine zentrale Rolle ein, im Guten wie im Schlechten.

Schauen wir uns nun an, wie es aktuell um ihren Beitrag zur Thematik bestellt ist: Die globalen Direktemissionen[5] der Landwirtschaft – einschließlich des Energie- und Mineralölverbrauchs [6] von landwirtschaftlichen Maschinen und Produktionsanlagen – lagen 2017 bei 5,79 Gigatonnen CO2 (eq), was ca. 16 Prozent aller Gesamtemissionen entspricht. Noch einmal 3,15 Gigatonnen bzw. 9 Prozent wurden durch Landnutzung und Landnutzungsänderungen (etwa Waldrodungen) freigesetzt. Insgesamt schlagen also gut ein Viertel aller globalen Emissionen der landwirtschaftlichen Nutzung zu Buche, was eine gewaltige Verantwortung mit sich bringt. Aktuell konzentriert man sich in der industriellen Landwirtschaft vor allem auf technische Lösungen (wichtige Stichworte sind precision agriculture und die Digitalisierung) ohne das derzeitige System selbst infrage zu stellen. An sich sind direkte Emissionssenkungen natürlich sehr sinnvoll, dabei wird jedoch ein wesentlicher Aspekt ausgeklammert: Jede Weide, jedes Feld, jeder Acker könnte zu einer Senke von Kohlenstoff werden, die Landwirtschaft selbst könnte ihre Nettoemissionen über diese Senkenwirkung auf null bringen. Klingt zu schön, um wahr zu sein? Ganz im Gegenteil.

Vielleicht haben Sie schon mal etwas vom Carbon Capture gehört? Dahinter steht die (hypothetische) Möglichkeit, Kohlenstoff im industriellen Maßstab einzufangen und zu lagern. Bis jetzt zeigen sich keine technisch gangbaren Verfahren, die einen solchen Prozess in der gebotenen Größe ermöglichen könnten. Ist auch nicht weiter schlimm, den die Lösung existiert seit wahrscheinlich gut drei Milliarden Jahren und nennt sich oxidative Photosynthese. Und die reizenden grünen Organismen, die die Vegetation dieses Planeten bilden, beherrschen diesen Prozess in Perfektion. Jeder Baum, jeder Strauch, jeder Grashalm nimmt Kohlenstoffdioxid auf, und bildet daraus in einem komplexen Prozess unter Zuhilfenahme von Wasser und Energie aus Sonnenlicht energiereiche Assimilate, die die Grundlage unserer Ernährung sind. Als Abfallprodukt wird Sauerstoff zurück in die Luft abgegeben. Kohlenstoff wird durch Pflanzen also aktiv gebunden. Wunderbar. Nur stirbt so eine Pflanze halt irgendwann mal und wird gefressen. Was passiert dann mit dem Kohlenstoff? Nun, er wird entweder in die Körpersubstanz des Fressenden eingebaut (wo er verleibt, bis auch dieser verstirbt) oder er wird zwecks Energiegewinnung veratmet. Was blöd ist, denn dann landet er wieder in der Atmosphäre, also genau da, wo wir ihn nicht haben wollen! Wie lösen wir das jetzt?

Die Sache mit dem Boden…

Wissen Sie, wo fossile Brennstoffe herkommen? Aus dem Boden, richtig! Nein, nicht lachen, dass ist nämlich tatsächlich die Lösung. Der Kohlenstoff muss zurück in den Boden, organisch gebunden in Form von Humus, jener seltsamen Substanz, die wesentlichen Einfluss auf die Beschaffenheit und Leistungsfähigkeit von Böden hat. Unter anderen betont der amerikanische Bodenwissenschaftler Rattan Lal seit Jahren das ungemeine Potenzial, dass im Aufbau einer stabilen Humusschicht liegt. Theoretisch würde die kombinierte Senkenwirkung von Böden und oberirdischer Biomasse bei global adaptierten best management-Verfahren bis 2100 ausreichen, um die kompletten Emissionen zu kompensieren, die bis heute seit Beginn der Industrialisierung erfolgt sind.[7] Selbst wenn es sich nur um eine theoretische Zahl handelt, macht sie doch sehr deutlich, wie gewaltig das Potenzial für Nettoemissionseinsparungen tatsächlich ist. Die französische Regierung hat 2015 die Initiative 4 per 1000 ins Leben gerufen, die sich genau jenen Humusaufbau auf landwirtschaftlichen Böden zum Ziel gesetzt hat. Globale Bauernorganisationen wie La Via Campesina oder die Initiative Regeneration International setzten sich ebenfalls für eine am Bodenökosystem ausgerichtete Landwirtschaft ein, die nicht nur den Klimawandel aktiv bekämpft, sondern gleichzeitig natürliche Ökosystemfunktionen regeneriert, was wiederum die Adaptionsfähigkeit an bereits erfolgende Veränderungen stärkt. Denn ein gestärkter, intakter Boden mit einem florierenden Bodenleben ist auch die Grundlage für die natürliche Bodenfruchtbarkeit und für weitere ökosystemare Leistungen, wie die Wasserretention und die Pufferwirkung. Der Boden muss wieder das Fundament jeglicher landwirtschaftlicher Modelle werden.

Was bedeutet das alles?

Was erwartet die heimische Landwirtschaft in den nächsten Jahrzehnten? Wir wissen nun, dass wir alles daran setzen müssen, unter oder zu mindestens an der 2-Grad-Grenze zu bleiben. Aber selbst dann wird der Klimawandel bereits empfindliche Auswirkungen auf die globalen Ökosysteme haben (verschobene Wetterparameter, Zunahme von Extremwetterlagen, Entkoppelung ökologischer Prozesse). Einige Änderungen, wie die erwartete Verlängerung der Vegetationsperiode in Mitteleuropa sowie Effekte der erhöhten Kohlenstoffdioxid-Düngung, könnten sich tendenziell positiv auswirken, jedoch ist unklar, wie sehr sie durch einzelne negative Ereignisse (etwa ausgedehnte Dürreperioden im Sommer) wieder aufgezehrt werden.[8] Grundsätzlich wird die Unsicherheit größer und es ist nicht möglich, vorherzusehen, wie sich Schlüsselfunktionen in Ökosystemen in Zukunft verändern werden. Der Klimawandel findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern bildet zusammen mit dem fortschreitenden Artensterben und der globalen Umweltzerstörung ein unheilvolles Triumvirat, das die natürlichen (gewaltigen) Regenerationskräfte der Biosphäre immer stärker belastet. Folglich müssen wir unsere Landwirtschaftsmodelle so anpassen, dass sie

1.       direkt Emissionen einsparen (etwa im Energie- und Spritverbrauch, Dungmanagement etc.)

2.       die natürliche Senkenwirkung von Agrarökosystemen fördern (Humusaufbau!)

3.       widerstandsfähig und adaptiv auf Klimaänderungen reagieren (Stärkung des Agrarökosystems).

Eine gewaltige Aufgabe, also. Aber das Wunderbare ist, rund um die Welt versuchen zahlreiche Initiativen und Landwirte genau solche alternativen Modelle zu entwickeln und zu testen. Ob unter den Stichworten Holistic Management, Agroecology, regenerative Landwirtschaft oder Permakultur… alle diese Ansätze vertrauen auf die enorme Regenerationskraft und die natürliche Ertragsfähigkeit der Natur. Und dieses Projekt ist eines davon.
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[1] Gemeinsames Paper der Preisträger des Blue Planet Prize, darunter Gro Harlem Brundtland (ehemalige norwegische Ministerpräsidentin) und James Hansen (ehemaliger Direktor des NASA Goddard Institute for Space Studies), deutsche Übersetzung nach Naomi Kleins Die Entscheidung: Kapitalismus vs. Klima

[2] Kevin Anderson (2012): Climate change going beyond dangerous – Brutal numbers and tenuous hope, Development Dialogue, 61; S. 29.

[3] IPCC (2014): Climate Change 2014: Synthesis Report (Summary for Policymakers), Genf; S. 10 ff.

[4] Naomi Klein (2015): Die Entscheidung: Kapitalismus vs. Klima, Frankfurt am Main; S. 19 ff.  

[5] Sofern nicht anders ausgewiesen stammen alle folgenden Emissionsdaten aus der FAOSTAT-Datenbank der Vereinten Nationen. Die Mengen werden in Kohlenstoffdioxidäquivalenten CO2 (eq) angegeben, die auch Methan- und Lachgasemissionen berücksichtigen.

[6] Leider gibt es zu den Globalemissionen aus dem Energieverbrauch der Landwirtschaft nur Daten von 2012, nicht von 2017. Tendenziell zeichnet sich leider auch hier über die Jahre ein Anstieg ab, weshalb angenommen werden muss, dass die aktuellen Emissionen höher sind, als hier dargestellt. Für Deutschland ist die Datenlage noch dünner, weshalb auf Daten von 1998 zurückgegriffen werden musste (auch hier muss mit einem tatsächlichen Anstieg gerechnet werden muss).

[7] Lal et al. (2018): The Carbon Sequestration Potential of Terrestrial Ecosystems. Journal of Soil and Water Conservation 73: 145A–152A.

[8] Franz Essl, Wolfgang Rabitsch (2013): Biodiversität und Klimawandel: Auswirkungen und Handlungsoptionen für den Naturschutz in Europa; S. 204

Dürreperioden

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Wasserkreislauf

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Klimawandelfolgen

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Einfluss Wiederkäuer

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Bodenleben

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Wetterextreme

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Temperaturanstieg

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Kuhfladen

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Humusaufbau

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Waldweide

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Bergweide

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Randstrukturen

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Randstrukturen und Landschaftselemente

Autorin: Franziska Hanko

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Schirmherrin KUH

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